Frankreich

Tag 1

Donnerstagmorgen früh, der Wecker klingelt. Jetzt heisst es aufstehen und die letzten Dinge für mein Vorhaben packen. Den grössten Teil habe ich bereits am Vorabend im Auto verstaut. Doch bevor ich mein Abenteuer  starten kann, muss ich noch zur Arbeit. Der Morgen zieht dahin und die Stunden vergehen nur schleppend. Endlich ist es Mittag und ich setze mich in mein Auto. Ein Ziel habe ich nicht, Zeit aber für einige Tage. Es zieht mich von Anfang an Richtung Frankreich. Viel zu lange schon rede ich kaum mehr ein Wort französisch, was mir sehr fehlt. Kurz nach Genf verlasse ich die Autobahn und folge kleineren Strassen über die Grenze nach Frankreich. Schon die ersten Meter auf fremdem Land sind verwirrend. Auch an den Fahrstil muss ich mich erst gewöhnen. Das Tempolimit wird nicht ausgenutzt, bei grünen Ampeln dauert es eine gefühlte Ewigkeit bis zum anfahren und ich komme nur schleppend voran. Das stört mich aber nicht, schliesslich habe ich keinen Zeitdruck. Nach einiger Zeit herumfahren mache ich am Lac du Bourget eine kurze Pause. Ich will mir etwas die Beine vertreten, doch merke schnell: es ist viel zu heiss und Schatten gibt es auch nirgends. Das hält aber die Einheimischen nicht davon ab in der prallen Sonne zu sitzen und sich ein Bad im kühlen Nass zu gönnen.

Mittlerweile ist es schon halb 4 und ich mache mir langsam Gedanken über meine heutige Übernachtungsmöglichkeit. Campingplätze sind in Frankreich zahlreich vorhanden, aber ich möchte nicht auf einen grossen/touristischen Platz. Nach einer kurzen Recherche und schon aufgebrauchtem Roamingguthaben finde ich einen kleinen, bäuerlichen Campingplatz. Kurzerhand rufe ich dort an. Wie zu erwarten ertönt nur ein brummiges/genervtes "Hâlo?" an der anderen Seite. Freundlich erkundige ich mich nach einem freien Stellplatz und bekommen zur Antwort, dass es Plätze hat.

Das Navi kündigt mir weitere 2 Stunden Fahrt an. Diesmal verlasse ich die grösseren Strassen und bin schnell mal das einzige Auto unterwegs. Immer abgelegener kommt es mir vor und ich habe keine Ahnung wo ich bin und ob ich das richtige Ziel ansteuere. Dann endlich ein kleines handbeschriebenes Schild: "Camping à la Ferme". Ich hoffe es signalisiert den von mir gesuchten Campingplatz und folge den Schildern über zahlreiche Nebenstrassen. Dann endlich ist es geschafft! Ich finde einen kleinen und fast leeren Campingplatz vor. Der Himmel ist verdächtig grau und ich stelle mein Zelt im Eiltempo. Es ist noch nicht sehr spät und ich beschliesse noch etwas die Gegen zu erkunden mit dem Velo. Den Hügel runter finde ich das Dorf Châtonnay. Ein kleines Dorf in dem die engen Strassen mit alten Häusern gesäumt sind. Ich sehe ein Wanderwegweiser und folge ihm, ohne mir bewusst zu sein, dass ich den "Chemin des Etangs" erwische. Der Weg führt an vielen Weihern vorbei, wunderschön und einladend zum Verweilen. Doch viele der Etangs sind in Privatbesitz, zudem spüre ich die ersten Regentropfen auf meiner Haut. Aber natürlich habe ich keine Ahnung wo ich bin und der Wanderweg ist nur spärlich beschildert. Es kommt wie es kommen muss: ich habe mich verirrt. Zum Glück finde ich einen Strassenwegweiser, der mir Châtonnay anzeigt und ich fahre weiter. Aus den Regentropfen ist mittlerweile Regen geworden. Glücklicherweise ist es nicht kalt und ich sehne mich nach einer Dusche. Nach nicht verstreichen wollenden Minuten erreiche ich Châtonnay. Doch meine Orientierung ist vollkommen über den Haufen geworfen und ein Schild "Camping à la Ferme" ist auch nicht zu entdecken. Verwirrt fahre ich im Dorf umher und denke mir: zum Glück bin ich nicht zu Fuss unterwegs. Plötzlich erkenne ich einen Laden, den ich schon gesehen habe und folge Stück für Stück dem Weg, den ich zuvor ins Dorf genommen habe. Überglücklich erreiche ich mein Zelt und suche müde nach der Dusche. Nicht gerade im besten Zustand, aber zumindest ist das Wasser warm. Der Abend geht langsam zu Ende und die Campingwartin kommt kassieren. Sie ist ganz überrascht, dass ich alleine umher reise und verlangt gerade einmal 5.70 Euro für eine Nacht.

Tag 2

Es ist morgens um 6 Uhr und auf einmal bin ich wach, alles scheint ruhig zu sein und die Regentropfen auf der Zeltwand sind verstummt. Das Gewitter hat sich verzogen, nachdem es mir in der letzten Nacht ein mulmiges Gefühl bereitet hat alleine in einem Zelt. Jetzt ist nur ein Hahn zu hören, der lauthals den neuen Morgen ankündigt. Nach weiteren 2 Stunden Schlaf schliesslich stehe ich auf und bemerke, dass die restliche Campingbesucher bereits am abreisen sind. Ich nutze die wenigen Sonnenstrahlen und lasse mein Zelt noch etwas trockenen.

Das schlechte Wetter drückt auf meine Stimmung und ein Gefühl der Resignation macht sich breit. Ich frage mich ob das Ganze überhaupt eine gute Idee war und was ich denn nun unternehmen soll. Ein Blick auf die Wettervorhersage zeigt im ganzen Südosten Regen und Gewitter für die nächsten Tage. Die am nächsten gelegene Region ohne Regenaussichten ist Limousin und somit mein nächstes Reiseziel. Ich suche gleich nach einem passenden Camping, da ich den ganzen Tag mit Fahren verbringen werde. Das Ziel soll dann "Le Ranch" in Madranges sein, das Navi kündet schon mal 7 Stunden Fahrt dorthin an.

Die Landschaft zieht an mir vorüber und zu sehen gibt es nicht sehr viel:

- riesige Felder mit Strohballen

- viele Weiden/Grasflächen, oft eher braun und ausgedorrt

- crèmefarbige bis braune Kuhherden

- Dörfer in eintönigem grau-braun

Nach 7 Stunden bin ich mitten in der Stadt Limoges und das Navi kündigt das Ziel an. Schnell ist mir klar: das kann nicht sein. Anscheinend wollte das Navi nicht an den gleichen Ort wie ich, ich programmiere das Ziel neu und eine weitere Stunde Fahrt steht an. Langsam werde ich müde und wünsche mir nur noch einen Platz zum Schlafen. Zumindest das Wetter hat sich während der Fahrt von bewölkt/regnerisch zu blauem Himmel mit Quellwolken und angenehmen 25°C entwickelt.

 Über kleine Nebenstrassen nähere ich meinem Ziel und auf einmal ein kleines oranges Schild zum Camping. Über eine Wiese neben Weiden mit Pferden und Schweinen gelange ich zu meinem Ziel: eine grosse, leere Grasfläche. Die Besitzer sind Engländer und französisch ist nicht unbedingt ihre Sprache. Der Nachbar Sandy, auch ein Engländer, sucht sofort Kontakt und wir plaudern etwas. Doch jetzt nach einem ganzen Tag reisen brauche ich erst mal Entspannung. Ein Essen mit Wein bieten sich perfekt an.

Ein Spaziergang soll mir noch der Orientierung helfen und ich finde 3 Freunde auf der Weide. Einmal rufen und die 3 Pferde kommen angerannt, sie laufen mir sogar hinterher. Die Schweine auf der Weide daneben tun ihnen gleich.

Tag 3

Ein neuer Morgen startet erfrischend kalt. Die Sonne versteckt sich noch hinter Wolken. Der ab 6 Uhr krähende Hahn ist bereits zu einem normalen Geräusch geworden und stört nicht. Ich packe meine 7 Sachen und gehe los in Richtung Dorf, wo ein Wanderweg versteckt sein soll. Vergeblich suche ich nach gelben Wegweisern, doch plötzlich entdecke ich ein gelbes Kreuz an einem Masten. Das bedeutet so viel wie: hier geht's jedenfalls nicht lang. Ich finde den Wanderweg, bin aber in der falschen Richtung unterwegs, denn die Wanderwege sind nur in eine Richtung signalisiert. Das macht das Finden der spärlichen Markierungen nicht gerade einfacher, man will schliesslich nicht nach jedem Baum zurückschauen ob dort eine Markierung ist. Zum Glück habe ich eine Karte, wenn auch der Massstab kaum Details zulässt. Die Landschaft erinnert mich sehr an die Schweiz mit den vielen Weiden und Wäldern. Ansonsten gibt es kaum etwas: ein paar einzelne Häuser und ab und zu eine Teerstrasse. Die Weiden erscheinen auf den ersten Blick leer, doch beim genauen Hinsehen sind Kühe oder seltener Schafe unter den Bäumen auszumachen. Während der ganzen Zeit treffe ich keinen anderen Menschen an. Fragt sich, ob hier niemand wandern geht, oder die Signalisation schlicht zu spärlich ist. Oft hat es keine Markierungen ausser die Kreuze bei den abzweigenden Wegen und machen klar wo der Weg nicht hinführt.

Die Sonne ist hervorgekommen und es wird sofort heiss, aber im Schatten mit dem leichten Wind ist es fast kalt. Ich entdecke immer mal wieder einen Wegweiser für Bikestrecken und sogar eine Downhillstrecke. Aber leider ist das entsprechende Bike zuhause geblieben. Schliesslich erreiche ich einen Weiher : Etang du Peuch. Einmal mehr erstaunt es mich, dass nicht mehr Menschen diesen tollen Anblick geniessen. Der weg führt langsam Richtung Madranges und mittlerweile komme ich mit Geographie dieses Dorfes zurecht und kann mein Zelt auf der Karte lokalisieren.

Das Empfangskommitee Schweine kommt schon angerannt als ich sie mich sehen und ein Gefühl des zuhause Ankommens findet sich ein. Der Campingplatz scheint auch immer noch für mich alleine da zu sein und ich erwische meine Gedanken dabei ins Französische abzudriften und muss dabei schmunzeln.

Tag 4

 Bereits um 7 Uhr morgens macht sich die Hitze breit. An schlafen ist nicht mehr zu denken. alles tut mir weh und ich sehne mich nach meiner breiten und weichen Matratze. Nachdem Frühstück gehe ich los. Es ist schon jetzt heiss, am Himmel sind keine Wolken zu sehen und der Wind hat abgestellt. Der Weg entlang der Strasse wird unerträglich heiss.

Mein heutiges Ziel ist "Le Suc au May", ein "Berg" mit 908m. Eine der höchsten Erhebungen in der näheren Region und liegt sehr nahe bei meinem Camping. Der Kopf kann sich deshalb nicht für das Auto entscheiden. Mir fehlt es an Karten für das Finden von Wegen auf den Berg, aber aufgrund von Annahmen gehe ich davon aus, dass ein beschilderter Weg, welchen ich am Vortag entdeckt habe, hinauf führt. Der Weg beginnt direkt abenteuerlich: wo ein Weg zu erahnen ist, ist alles zugewachsen und mit Brombeeren bedeckt. Kurz bereue ich die kurzen Hosen und mache mich auf durch den Dickicht. Ich komme nur mühsam voran und hoffe, dass dies nicht ewig so weitergeht. Natürlich zahle ich trotz Vorsicht mit vielen Stichen und Schrammen an Armen und Beinen. Wieder einmal verwundert es mich nicht, dass es nicht so viele Wanderer hier gibt, obwohl ich heute gleich 2 Grüppchen angetroffen habe. Diese waren aber auf den "normalen" Wanderwegen unterwegs.

Je weiter ich komme desto mehr verlässt mich mein Mut und ich zweifle ob ich auf dem Weg auf den Berg bin. Schliesslich komme ich mal wieder zu einem Etang. Diesmal der von Ganezande. Hier treffe ich sogar einen Jogger. Einige Zeit später entscheide ich mich mein Vorhaben abzubrechen. Der Weg führt immer weiter weg vom Berg als zu ihm hin. Zurück nehme ich aber die Strasse und verzichte auf den Weg durch den Dickicht. Mittlerweile sind ein paar Wolken aufgetaucht und ein Wind zieht auf. Es wird wieder erträglich von den Temperaturen her.

Zurück beim Camping will ich mein Tagesziel mit dem Velo über die Strasse in Angriff nehmen, denn 908m sind ja nicht so viel, denke ich. Schnell merke ich aber, wie meine Muskeln brennen und die Räder förmlich auf dem Boden kleben. Die Sportpause hat meine Fitness zerstört und ich  sehe ein, dass ich den Berg heute nicht bezwingen kann. Dann also zurück zum Camping.

Aber aufgeben will ich mein Ziel nicht! Ich nehme das Auto und fahre hoch. Erstaunlicherweise sind auf dem Berg einige Menschen. Die Aussicht ist fantastisch. Man hat fast eine 360° Sicht und sieht sehr weit. Meine Ortskenntnisse sind aber nicht sehr gut und ich kenne nicht um mich herum. Aber schön ist s trotzdem. Den Kampf mit dem Berg habe ich ja nun gewonnen und es hat sich mehr als gelohnt.

Auf dem Rückweg will ich noch schnell in einem Tankstellenshop einkaufen gehen. Aber die Welt funktioniert hier anders. Um diese Tageszeit am Sonntag ist Einkaufen hier unmöglich. Na dann, es gibt ja immer noch die bewährte Pasta mit Tomatensauce.

Tag 5

Der letzte Tag in Madranges bricht an. Das Wetter ist wie gewohnt schön. Heute steht noch die Stadt Treignac auf meiner To-Do-Liste. Nur 10min Autofahrt und ich bin da, aber schon das erste Problem: wo parkiere ich? Ursprünglich wollte ich auf dem Platz vor dem Tourismusbüro parken, aber dort ist jetzt ein Märit im Gange. Ich suche nach Alternativen, aber hier sind Parkplätze nicht gekennzeichnet, höchstens wo man nicht parken darf. Schliesslich entscheide ich mich beim Friedhof zu parkieren. Es ist mir etwas unwohl mein Auto hier stehen zu lassen.

Ich unternehme einen netten Spaziergang rundum Treignac. Unterwegs sehe ich einen Esel. Er schaut mich an, springt auf und rennt mit einem I-Ah weg. Etwas verwundert nähere ich mich seiner Weide und er kommt angerannt mit offenem Mund und provozierenden I-Ah's. Wenig beeindruckt greife ich nach einem Büschel Gras und freudig frisst ihn der Esel. Nun darf ich ihn sogar streicheln.

Weiter geht's über die Vézère, ein Fluss bei Treignac. Überal stehen Warnschilder, die mir sagen, dass der Fluss gefährlich werden kann wenn Wasser vom See abgelassen wird. Etwas später erreiche ich "Le Rocher des Folles". ein Felsen der über der Vézère liegt. Legenden zufolge haben sich dort Frauen mit ihren Töchtern zu Tode gestürzt um ihre Töchter nicht den Göttern opfern zu müssen. Eine andere Version der Legende hingegen sagt, dass die Mütter ihre Töchter vor dem Recht der ersten Nacht bewahren wollten. Wie auch immer, ein seltsamer Ort.

Ich komme zurück in die Stadt und bewundere etwas die alten Bauten, dann gehe ich Richtung "Lac des Bariousses". Ein Stausee, welcher zur Stromgewinnung genutzt wird. Boote sucht man hier vergeblich, aber es gibt einen "Strand". Ein mit Sand aufgeschütteter Bereich zum sicheren Baden. Auch hier wird überall gewarnt, dass Baden im See ausserhalb dieses Bereichs gefährlich ist. Ich geniessen einen Spaziergang in der Nähe des Sees und das schöne Panorama.

Zurück beim Zelt, bin ich durchgeschwitzt und wünsche mir nur eine Dusche. Dumm nur, dass ausgerechnet in diesem Moment die Wasserpumpe nicht funktioniert..

Ich packe meine Sache zusammen und bereite mich auf eine rund 9 stündige Fahrt am nächsten Tag nach Hause vor. Ich habe die Zeit im abgelegenen Madranges sehr genossen und kann es naturliebenden Wanderern und Bikern nur empfehlen!